Details für Gutachter/innen
Fördereinrichtungen müssen sich mit unconscious bias auseinandersetzen. An erster Stelle steht dabei das Bewusstmachen der Bedeutung und Wirkung von unbewussten Vorurteilen.
Die Eckpunkte auf einen Blick
Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit unconscious bias sind empirische Befunde10, die zeigen, dass die (gleiche) Leistung von Frauen und Männern oft unterschiedlich bewertet wird.
- Die Ursache sind unterschiedliche Rollenerwartungen und unbewusste Vorurteile hinsichtlich typisch „männlicher“ und „weiblicher“ Fähigkeiten.
- Historisch betrachtet ist die Wissenschaft (vor allem die Naturwissenschaften) ein männlich dominiertes Feld, daher werden wissenschaftliche Tätigkeiten – vor allem in technischen Bereichen – nach wie vor in erster Linie mit Männern in Verbindung gebracht.
- Es besteht die Gefahr, dass Gutachter/innen gegenüber Antragsteller/inne/n unbewusst voreingenommen sind, die in Bezug auf das Geschlecht und/oder demografische Faktoren (ethnische Zugehörigkeit, soziale Herkunft etc.) nicht ihrem eigenen Profil (lack of fit) bzw. auch nicht der historisch bedingten Norm eines „typischen“ Wissenschaftlers entsprechen.11
- Diese unterschiedlichen und ungerechtfertigten Bewertungen können mitunter dazu beitragen, dass Frauen ihre wissenschaftliche Laufbahn aufgeben.12 Diese Dropouts von Frauen im Verlauf wissenschaftlicher Karrieren werden am Phänomen der Leaky Pipeline statistisch erkennbar und nachweisbar. Jeder Mensch nimmt gedankliche „Abkürzungen“ und trifft Verallgemeinerungen, da sie die Orientierung im Alltag erleichtern. Bis zu einem gewissen Grad ist daher jede/r voreingenommen.13
Impliziter Bias ist unabhängig von Intelligenz, Bildung und Geschlecht14 der Person, die die Entscheidungen trifft, und steht oft im Widerspruch zu den eigenen, expliziten Wertvorstellungen.
Im Rahmen seiner Strategie zu Gleichstellung und Diversität (pdf, 174KB) ist es dem FWF – neben anderen Maßnahmen – ein großes Anliegen, ein faires und objektives Bewertungssystem sicherzustellen, das sich allein an Forschungsleistung und Wettbewerb orientiert.
Die unten angeführten Beiträge zielen darauf ab, die eigene Position und Rolle im wissenschaftlichen Bewertungsprozess zu reflektieren, für die Entstehung von unconscious bias zu sensibilisieren und das Verständnis für den Umgang mit Vorurteilen zu vertiefen.
Diese Sammlung wird laufend ergänzt und aktualisiert. Für Fragen und Anregungen bitten wir Sie um Nachricht an marlene.hock(at)fwf.ac.at.
Videos
- Royal Society:Understanding unconscious bias – YouTube (Dauer: 02:59)
Beschreibung: Kurzvideo und Material zu unbewussten Vorurteilen und Diversität. Dieses Video wird von vielen forschungsfördernden und forschungsdurchführenden Organisationen in ganz Europa in ihren Evaluierungs- und Rekrutierungsverfahren verwendet.
Online-Vorträge/Folien
- Canada Research Chair Program:Unconscious bias training module (chairs-chaires.gc.ca)
“Bias in Peer Review” Mandatory Learning – Bias Module (Dauer: individuelles Tempo – ca. 30 min)
Beschreibung: Interaktives Trainingsmodul in englischer Sprache für Reviewer/innen zur Förderung des Verständnisses unbewusster Vorurteile. Im Video wird gezeigt, wie diese den Peer-Review-Prozess beeinflussen können. Außerdem werden Strategien dargestellt, die zur Verminderung von Voreingenommenheit während des Begutachtungsprozesses beitragen. Englische Untertitel und eine Volltextversion sind verfügbar.
Test
- Implicit Association Test (IAT) (Dauer: ca. 10 min)
Beschreibung: Der Implizite Assoziationstest (IAT) ist ein sozialpsychologisches Messverfahren, das die Stärke von Assoziationen zwischen einzelnen Elementen misst. Der IAT wird hauptsächlich zur Messung von impliziten Einstellungen und Vorurteilen gegenüber bestimmten Gruppen bzw. in Bezug auf Herkunft, Gender, Sexualität, Alter und Religion verwendet.
Übersichtsdarstellungen
- Rethinking Research Assessment: Unintended Cognitive and Systems Biases | DORA (sfdora.org)
Grafische Darstellung unterschiedlicher Formen unbewusster Vorurteile und deren Wirkung
Handlungsempfehlungen für die Begutachtung wissenschaftlicher Projektanträge
10 Z. B.: Wenneras und Wold 1997; Paludi und Bauer 1983; Fine und Handelsman 2006
11 Van Veelen und Derks 2020
12 Gvozdanović 2018
13 Ein Einstellungsexperiment (Kaatz et al. 2014) hat beispielsweise gezeigt, dass diejenigen, die an ihre persönliche Objektivität glauben, eine voreingenommenere Bewertung abgeben als jene, die das nicht tun
14 Moss-Racusin et al. 2012, Steinpreis et al. 1999